Freitag, 9. März 2012

Rosengeschichte und Moral





Anaïs Ségalas
Gallica, 1837 - Vibert, Frankreich
Duft: 3, zartes, angenehmes Parfum

"Historische Rosen", "Alte Rosen", was ist das? Werden in hundert Jahren die heutigen "Modernen Rosen" nicht auch "Historisch" oder "Alt" sein? Nein!
In der Literatur wird gern das Jahr 1867 als Grenze zwischen "Alt" bzw. "Historisch" und "Modern" genannt. In diesem Jahr wurde die erste Tee-Hybride 'La France' gezüchtet. 

            Foto: Ute Zengerling-Salge

            Foto: Ute Zengerling-Salge
La France
 Tee-Hybride, 1867 - Guillot fils, Frankreich
Duft: 2, angenehm, unaufdringlich süß

Die Engländer reklamieren eine andere Tee-Hybride als Grenze.
Dies ist Quatsch! Auch nach 1867 wurden noch "Alte Rosen" gezüchtet, also Rosen der wenig hybridisierten Gruppen Gallica, Centifolia, Damascena, Alba. 

 
Madame Hardy
Damascena, 1832 - Hardy, Frankreich
Duft: 2-3, angenehm fruchtig-würziges Parfum 

So z.B. viele Rugosa, die jeder Rosenfreund ohne nachzudenken, zu den Historischen Rosen zählt. Auch die ersten Tee-Hybriden, ebenso wie die meisten Remontant-Hybriden wird man sinnvollerweise zu den Alten rechnen. Die Grenze ist also fließend, Schwerpunkt der Historischen Rosen ist das 19. Jahrhundert oder früher, wo man Samen von Rosen ausgesät hat, ohne vorher eine gezielte Bestäubung vorzunehmen. Dies begann erst gegen Ende des Jahrhunderts. Wenn man unbedingt eine Grenze nehmen will, kann dies der Erste Weltkrieg sein, die europäische Rosenzucht kam zum Stillstand und danach begann eine starke Hybridisierung mit der Vorgabe, nur noch öfter- oder dauerblühende Rosen - in immer neuen Farben und Farbmischungen - zu erzielen. Der Duft spielte keine große Rolle mehr, sogenannte ‚edle’ Blütenformen wurden modern, Haltbarkeit war wichtig, Schnittrosen für den Blumenhandel wurden gezüchtet.

Mit Austins Züchtungen oder den Duft-und Romantikrosen aus Frankreich, Deutschland


Sharifa Asma
Englische Rose, 1989 - D. Austin, UK
Duft: 4, frisches, tiefes Parfum, Melone

oder auch von anderen Züchtern aus England, begann man sich zumindest teilweise auf die Tugenden der Alten Rosen zurückzubesinnen: Duft, vielfältige Blütenformen und zumindest zum Teil auch auf sanfte Farben, die dem Auge nicht wehtun. Meist blieb jedoch die schöne Strauchform der Historischen Rosen, die auch ohne Blüten eine Zierde ist, auf der Strecke. Und über viele Farbkreationen kann man geteilter Meinung sein, das ist Geschmacksache. Aber es gibt auch moderne Züchter Alter Rosen, so hat Rolf Sievers in den 1970er Jahren eine Reihe sehr schöner Albas gezüchtet.

Warum muss jede Rose das ganze Jahr blühen? Fast in jedem Vorgarten steht eine Forsythie, und die blüht gerade einmal zwei Wochen.

Wo ist der Duft bei den meisten Tee-Hybriden und vor allem bei den Schnittrosen geblieben? Begraben unter einer dicken Wachsschicht! Die Rosen sollten für die Vase haltbar sein, bei Schnittrosen ein Muss, bedingt allein schon durch den mehrtägigen Transport. Dies gelingt nur, wenn die Blütenblätter per Zucht mit einer möglichst dicken Wachsschicht bedeckt sind. Sie welken dann nicht mehr so schnell, da die Wasserverdunstung stark reduziert wird, aber auch die Duftstoffe, die in den Petalen sitzen, können unsere Nase nicht mehr erfreuen.
Das Ergebnis entspricht dann den heutigen Tomaten, die rund, rot und lange haltbar sein müssen. Selbst die letzten Züchtungen, die wieder etwas Geschmack zurückgebracht haben, kann man nicht mit einer alten Sorte, wie diesen vergleichen:


'Ponderosa Pink'


 'Lunghi si Rotunde'


 'Jahmato Banana Pear'


 'Indische Tomate'
 
Wer eine solche Tomate nicht probiert hat, weiß nicht, wie Tomaten schmecken. So ist das auch mit den Rosen.

Zurück zu diesen. Was hat Moral mit Rosen zu tun? Heute offenbar viel:
Rosenzüchter müssen Geld verdienen - bereits Verdier ist durch seinen Rosenhandel Millionär geworden - sie haben dabei aber, wie jeder andere Unternehmer auch, eine gesellschaftliche und moralische Verpflichtung. Dass David Austin die Rose, die er nach seinem Vater Charles benannt hat, nicht mehr in seinem Katalog aufführt, ist schon eigenartig - ich hätte das meinem Vater nicht angetan - die Erklärung ist einfach: Die Schutzrechte sind abgelaufen und mit Neuzüchtungen kann man mehr Geld machen.


Charles Austin
Englische Rose, 1973 - D. Austin, UK
 Duft: 4, intensiver Duft nach exotischen Früchten, Papaya und Maracuja

Schlimm wird es jedoch bei Schnittrosen. Diese werden heute im Wesentlichen bei Kordes in Deutschland gezüchtet und hauptsächlich von zwei großen Firmen in Kenia für den europäischen Markt produziert: Kordes und Karuturi. Daneben gibt es nur wenige kleinere Betriebe. Weitere wichtige Länder sind Tansania, Kolumbien und Ecuador.

Wie die 3-teilige Dokumentation des NDR "Die Rosen-Story" zeigt, findet in Kenia bei Kordes und Karuturi moderne Sklaverei und eine unsägliche Umweltvergiftung statt. Kordes stellt sich im Internet zwar als sozialverantwortliches Unternehmen dar, das soll insbesondere für Kenia gelten. Die Beschäftigten belegen jedoch Löhne von 32 € pro Monat. Nach eigenen Angaben entstehen Personalkosten von 3 $ pro Tag. Bei Karuturi wird gezeigt, wie Rosen und Personal im Giftnebel ersticken und das ARD-Magazin Plusminus wies 2009 in einem Test nach, mit welchem Giftcocktail die Rosen bei uns im Supermarkt landen, darunter 3 Pestizide, die in der EU nicht erlaubt sind. 

Wie menschenverachtend diese Firmen sind, spricht Herr Kordes jr. im dritten Teil der Dokumentation aus, wörtlich zitiert:  
"Man kann nicht einfach die Löhne verdoppeln, die Kosten, die würden dann so stark steigen und die Leute, die würden auch nicht dieses Geld nehmen, um das zur Seite zu packen, das würden die auch ausgeben."

Das Wasser für die Rosen wird aus Brunnen oder dem Naivashasee gewonnen und geht vergiftet in diesen zurück. Kordes spricht davon, ein Kreislaufsystem schaffen zu wollen. Dies soll 3-5 Jahre dauern. Eine Beleidigung für jeden deutschen Ingenieur - solch ein Projekt dauert nicht länger als 1 Jahr, man muss es nur wollen, bzw. plant und baut das System parallel zum Ausbau der Gewächshäuser. Insbesondere, da die Ansiedlung von Kordes, lt. Kordes jr. mit einem Kredit in Höhe von 30% der Investition durch die DEG, einer Tochter der öffentlichen KfW-Bank gefördert wurde. Aber die Rose könnte dadurch ja 1/10 Cent teurer werden.
Dies geschieht natürlich nicht nur, damit wir den Strauß beim Discounter für 1,99 € kaufen können, zuallererst geht es um den Profit des Unternehmers.

Deutsche Schnittrosenproduzenten können nicht mehr mithalten und müssen aufgeben, die Energiekosten sind hier viel zu hoch. An diese Folgen der Globalisierung haben wir uns bereits gewöhnt, nur müssen wir das auch noch fördern?

Aber wir Verbraucher haben es in der Hand. Es gibt auch Fairtrade-Rosen aus Kenia oder Ecuador in unseren Supermärkten zu kaufen, leider viel zu wenige. Wahrscheinlich ist für uns der Mehrpreis von ca. einem Euro unerschwinglich.
Ich kann auf solch einen vergifteten Strauß, der unter Bedingungen produziert wurde, für die wir uns schämen sollten, gern verzichten.  Für einen Rosenstrauß warte ich, bis meine Rosen blühen.


Wenn davon eine Blüte schon nach wenigen Tagen die Blütenblätter verliert - Historische Rosenblüten halten oft nicht lang - so bleibt der Duft, ich kann sie trocknen - sie duften dann noch in einem Jahr!

Und diese Kordes - Kiese Kombination aus 'Alchymist' und 'Wartburg' schaue ich mir nur in Sangerhausen an.




2 Kommentare:

  1. Den Bericht habe ich auch gesehen und war entsetzt. Allerdings konnte man mir mit einem gekauften Rosenstrauß noch nie eine Freude machen. Und auch sonst finde ich gekaufte Schnittblumen ökologisch nicht mehr vertretbar - zumindest nicht, wenn sie tausende von Kilometern entfernt produziert werden. Zumal dort in den Produktionsstätten besser Nahrungsmittel angebaut werden sollten. Dort gibt es genug Eigenbedarf. Aber mit der Globalisierung stehe ich ohnehin seitdem wir bloggen immer mehr auf Kriegsfuß.
    VG Silke

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