Montag, 5. März 2012

Fundrosen



Fundrose Harnack rosa

Anregung zu diesem Thema erhielt ich vor Jahren von Frau Schade. Sie hatte festgestellt, dass es einmal weit mehr Alba-Rosen gab, als die 18, die der Handel heute noch führt - C. Nickels führte 1838 in seiner "Cultur, Benennung und Beschreibung der Rosen", Heft 4 + 5, 120 Albas auf, die im leider verloren gegangenen Rosarium von Pressburg (Bratislava) wuchsen. Frau Schade rief über die Medien im Raum Göttingen zur Suche nach Alten Rosen auf, die schon "immer" am Haus, am Wegesrand oder auf einem Friedhof standen. Die Resonanz war groß, sie bekam schließlich aus ganz Deutschland solche Rosen, davon eine große Anzahl verschiedener Albas.

Den letzten Ausschlag für meine Suche nach solchen Rosen gab im Jahre 2008 Herr Ruf, der seine Rosen jedes Jahr zum Johannimarkt der Werkstätten der Gemeinschaft Altenschlirf, einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Menschen mit und ohne Behinderung, in Schloss Stockhausen verkauft, das 11 km von Lauterbach entfernt ist. Er erwähnte zwei Rosen, die eine Straße weiter, vor einem alten Bauernhaus wuchsen, eine rosa und eine weiße Alba.

Sie gehören der Familie Harnack, die aus Ostpreußen nach Stockhausen geflohen ist. Die alten Herrschaften waren hocherfreut, dass ich mich für ihre Rosen interessierte. Nach der Blüte bekam ich Reiser für Frau Schade und im Herbst Ausläufer für meine Sammlung. Im Juni holte ich mir blühende Zweige und fand in Sangerhausen die Namen der beiden Rosen und ich konnte Familie Harnack glücklich machen, endlich hatten die beiden Prachtbüsche vor ihrem Haus einen Namen und ich lieferte ihnen auch gleich die Geschichte der Rosen mit.



Fundrose Harnack rosa
Alba 'Incarnata'
15. Jahrhundert oder früher, Europa
Duft: 3, zartes, würziges Parfum

Die weiße Alba der Familie Harnack gehört in die Gruppe 'Semiplena' oder 'Suaveolens'. Unter diesen Namen sind viele halbgefüllte, weiße Formen im Handel und in Rosarien.

 
 

Fundrose Harnack weiß
Alba 'Suaveolens'
vor 1600 - Europa

Nach diesem Erlebnis besuchte ich den Lauterbacher Friedhof und fand im alten Teil gleich sechs Historische Rosen! Zwei gehören zu alten Grabstellen, zwei zu einem aufgelassenen Grab, dessen Name aber noch auf einer alten Tafel zu finden ist, die an der efeuberankten Natursteinmauer hängt, die diesen Teil des Friedhofs umgibt. Und zwei weitere stehen im Rasen an der Mauer zur Straße. Allen Rosen ist gemein, dass sie nicht richtig gepflegt werden, sondern wie moderne Rosen, d.h. völlig falsch geschnitten werden, sodass sie kaum richtig zur Blüte kommen oder wie die beiden Letzteren, die immer wieder Ausläufer bilden, dem Rasenmäher zum Opfer fallen. Aber sie sind inzwischen alle gesichert, wachsen bei Frau Schade und in meinem Garten und haben ihre Namen zurück bekommen. 

Und das sind sie:



Fundrose Grab Riedesel, Friedhof Lauterbach
Petite Lisette
Centifolie, 1817 - Vibert, Frankreich

Den Freiherren Sämtliche Riedesel gehörte früher Lauterbach. Sie zählen heute noch zu den größten Waldbesitzern Hessens, haben in und bei Lauterbach drei Schlösser, eins davon ist inzwischen das Hohaus-Museum der Stadt Lauterbach und sie bewirtschaften umfangreiche Ländereien. Vermutlich haben sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Historischen Rosen nach Lauterbach gebracht. Zu einigen komme ich später noch.



Fundrose Grab Stausebach, Friedhof Lauterbach
Pink Leda
Damascener, unbekannter Züchter, vor 1828 - vermutlich Frankreich
Duft: 4, starker Damascenerduft, schweres, gutes Parfum

Die Stausebachs kamen offenbar aus dem Dorf Stausebach, bei Homberg/Ohm nach Lauterbach. Der Name findet sich nur viermal im Telefonbuch.



Fundrose freies Grab I, ehem. Krömmelbein, Friedhof Lauterbach
Vermutlich handelt es sich um 
Alba 'Incarnata' 
und ist identisch mit der Fundrose Harnack, rosa.

Krömmelbein ist ein in Lauterbach geläufiger Name. Auf der gleichen Grabstelle steht noch eine zweite Rose, wie diese eingezwängt zwischen Begrenzungssteinen und der Mauer, zwischen wucherndem Efeu und anderem Gestrüpp.



 Fundrose freies Grab II, ehem. Krömmelbein, Friedhof Lauterbach
In Sangerhausen bestimmte ich sie als
Dometil Beccard 
Gallica, vor 1883 - Cochet (?), Frankreich
Duft: 2, fruchtig, süß

Wenn man bei HelpMeFind nachschaut, findet man sie zusammen mit vielen anderen gestreiften Rosen, teils auch Centifolien in einen Topf geworfen. Hier ist noch einige Forschungsarbeit in frühen Quellen erforderlich, um ihnen den richtigen Namen zurückzugeben.



Fundrose Außenmauer I, Friedhof Lauterbach
Alba 'Maxima', mit Engelsblut
 Alba, vor 1500 - Europa

In der Gruppe der 'Maxima' unterscheidet man zwischen den reinweißen und den im Erblühen zartrosa überhauchten, die "Engelsblut" enthalten.



Fundrose Außenmauer II, Friedhof Lauterbach
Alba 'Suaveolens'
Alba, vor 1600 - Europa

Diese halbgefüllte Alba unterscheidet sich deutlich von der Fundrose Harnack, weiß. Die Duftbeschreibungen werden im Juni nachgereicht.

Eigentlich war meine erste Fundrose "Frau Schnell", genannt nach einer Nachbarin, in deren Garten sie namenlos wucherte und die mir zwei Ausläufer schenkte.


In Sangerhausen half mir Frau Brumme, die inzwischen pensionierte Leiterin des Rosariums, sie als 'Rose du Roi' zu identifizieren. Zunächst hatte mich diese Rose enttäuscht, denn als ich an der ersten Blüte roch, duftete sie überhaupt nicht. Erst als ich es zufällig noch einmal versuchte, hatte sie einen herrlichen Duft. Seitdem weiß ich, wie sehr es auf die richtige Tageszeit und die Temperatur ankommt. Eigentlich heißt diese Rose:


Comte Lelieur
Portland, 1812 – Graf Lelieur, 1816 von Souchet eingeführt, Frankreich
Duft: 2-3, fruchtig, Zitrone
  
Graf Lelieur, verantwortlich für die königlichen Gärten Frankreichs, züchtete diese Rose 1812 als 'Comte Lelieur'. Auf Befehl von König Louis XVIII, dem sie besonders gut gefiel, wurde sie 1815 in 'Rose du Roi' umbenannt. Der gültige Name wäre somit 'Comte Lelieur' (oder 'Rose Lelieur'), aber wir wollen uns dem königlichen Befehl doch nicht widersetzen und als 'Rose du Roi' ist sie auch wesentlich bekannter.

Hier in Lauterbach wurde sie sicherlich von den Riedesel eingeführt, denn in Rudlos, auf dem Weg nach Stockhausen, wächst diese Rose in einer verwilderten Ecke des Gartens eines Hauses, das zu ihrem dortigen Gutsbetrieb gehört.  Auch Frau Schnell, als pensionierte Gymnasiallehrerin, könnte diese Rose für ihre schulischen Verdienste bekommen haben.

Eine weitere Rose fand ich im Innenhof des Riedesel Schlosses Eisenbach, außerhalb von Lauterbach.



Fundrose Schloss Eisenbach
Remontant-Hybride, mehr ist noch nicht bekannt
Duft: 4, vorzügliches, süßes Parfum, etwas Zitrone

Sie sträubte sich erst gegen die Vermehrung, der erste Steckling gelang nicht und Frau Schade reklamierte, dass ich ihr ein Wildreis zur Veredlung gegeben hatte. In dem Gestrüpp hatte ich wohl etwas verwechselt. Aber 2011 blühte sie sehr schön in ihrem Container-Revier und auch mein zweiter Steckling zeigte seine erste Blüte.

Eine weitere Rose fand ich im Garten einer befreundeten Dame in Lauterbach. Ihr Gärtner hatte ihr gesagt, es sei die Centifolie. Eine Centifolie ist es, aber ich habe sie in Sangerhausen noch nicht entdecken können.



Fundrose 'Inge Baader'
Centifolie
Duft: 4

Die Rose wird wohl den Namen der Besitzerin, die inzwischen leider verstorben ist, behalten. Unter diesem Namen ist sie mitlerweile auch im Handel erhältlich.
Im gleichen Rosenbusch, völlig ineinander verwachsen, als sei es eine Rose mit unterschiedlichen Rosatönen, fand ich noch eine zweite Rose, eine Damascener. 


Sie wächst auch im Garten der Villa Dürbeck, die einem ehemaligen Lauterbacher Fabrikanten gehörte, bei dem ich früher einige Jahre beschäftigt war. Die Rose hat die Firma und die Eigentümer überlebt und wird jetzt auch in meinem Garten gepflegt.



Es handelt sich vermutlich um
Celsiana  oder Belle Couronnée
Damascena, Anfang 18. Jahrhundert, Holland

Jacques-Martin Cels (1743-1806) brachte diese Rose nach Frankreich und nannte sie 'Belle Couronnée', dies ist deshalb der zutreffende Name. Cels war einer der bedeutendsten Züchter des ausgehenden 18. Jahrhunderts, dem wir viele Rosen verdanken. Ihm zu Ehren nannte Thory, der Autor von Redoutés Rosenmonografie, diese Damaszenerrose 'Celsiana'. Unter diesem Namen ist sie heute hauptsächlich bekannt. 

An dieser prächtigen Rosenhecke in Eudorf, nördlich von Alsfeld, fuhr ich vorbei, kehrte aber sofort um und holte meine Kamera. Im Herbst wollte mir der Eigentümer erst dann einen der zahlreichen Ausläufer geben, als ich ihm eine Rose zum Tausch anbot.



Fundrose Eudorf, Centifolie
Es ist sicherlich ein Klon von
Rosa centifolia 'Major'
Centifolie, 16. Jahrhundert, Holland

Im selben Garten steht auch noch eine Alba 'Maxima', diese ohne "Engelsblut".



Fundrose Eudorf, Alba 
Alba 'Maxima'
Alba, vor 1500 - Europa

An dieser Alba der Familie Zinn im Lauterbacher Ortsteil Maar bin ich schon oft vorbeigefahren, bis ich sie vor zwei Jahren in voller Blüte sah. 





Fundrose Zinn, Lauterbach-Maar
Alba

Frau Schade, die Alba-Spezialistin war erstaunt. Eine so kräftig Rosa erblühende, in Reinweiß übergehende Alba 'Maxima', die dazu noch besonders stark duftet, hatte sie noch nicht in ihrer Sammlung. Die genaue Einordnung muss daher noch erfolgen.

Inzwischen wachsen noch einige weitere Fundrosen in meinem Garten, die ich von Rosenfreunden erhalten habe.

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