Fundrose
Harnack rosa
Anregung
zu diesem Thema erhielt ich vor Jahren von Frau Schade. Sie hatte
festgestellt, dass es einmal weit mehr Alba-Rosen gab, als die 18,
die der Handel heute noch führt - C. Nickels führte 1838 in seiner
"Cultur, Benennung und Beschreibung der Rosen", Heft 4 + 5,
120 Albas auf, die im leider verloren gegangenen Rosarium von
Pressburg (Bratislava) wuchsen. Frau Schade rief über die Medien im
Raum Göttingen zur Suche nach Alten Rosen auf, die schon "immer"
am Haus, am Wegesrand oder auf einem Friedhof standen. Die Resonanz
war groß, sie bekam schließlich aus ganz Deutschland solche Rosen,
davon eine große Anzahl verschiedener Albas.
Den
letzten Ausschlag für meine Suche nach solchen Rosen gab im Jahre
2008 Herr Ruf, der seine Rosen jedes Jahr zum Johannimarkt der
Werkstätten der Gemeinschaft Altenschlirf, einer Lebens- und
Arbeitsgemeinschaft für Menschen mit und ohne Behinderung, in
Schloss Stockhausen verkauft, das 11 km von Lauterbach entfernt ist.
Er erwähnte zwei Rosen, die eine Straße weiter, vor einem alten
Bauernhaus wuchsen, eine rosa und eine weiße Alba.
Sie
gehören der Familie Harnack, die aus Ostpreußen nach Stockhausen
geflohen ist. Die alten Herrschaften waren hocherfreut, dass ich mich
für ihre Rosen interessierte. Nach der Blüte bekam ich Reiser für
Frau Schade und im Herbst Ausläufer für meine Sammlung. Im Juni
holte ich mir blühende Zweige und fand in Sangerhausen die Namen der
beiden Rosen und ich konnte Familie Harnack glücklich machen,
endlich hatten die beiden Prachtbüsche vor ihrem Haus einen Namen
und ich lieferte ihnen auch gleich die Geschichte der Rosen mit.
Fundrose
Harnack rosa
Alba
'Incarnata'
15.
Jahrhundert oder früher, Europa
Duft:
3, zartes, würziges Parfum
Die
weiße Alba der Familie Harnack gehört in die Gruppe 'Semiplena'
oder 'Suaveolens'. Unter diesen Namen sind viele halbgefüllte, weiße
Formen im Handel und in Rosarien.
Fundrose
Harnack weiß
Alba
'Suaveolens'
vor
1600 - Europa
Nach
diesem Erlebnis besuchte ich den Lauterbacher Friedhof und fand im
alten Teil gleich sechs Historische Rosen! Zwei gehören zu alten
Grabstellen, zwei zu einem aufgelassenen Grab, dessen Name aber noch
auf einer alten Tafel zu finden ist, die an der efeuberankten
Natursteinmauer hängt, die diesen Teil des Friedhofs umgibt. Und
zwei weitere stehen im Rasen an der Mauer zur Straße. Allen Rosen
ist gemein, dass sie nicht richtig gepflegt werden, sondern wie
moderne Rosen, d.h. völlig falsch geschnitten werden, sodass sie
kaum richtig zur Blüte kommen oder wie die beiden Letzteren, die
immer wieder Ausläufer bilden, dem Rasenmäher zum Opfer fallen.
Aber sie sind inzwischen alle gesichert, wachsen bei Frau Schade und
in meinem Garten und haben ihre Namen zurück bekommen.
Und
das sind sie:
Fundrose
Grab Riedesel, Friedhof Lauterbach
Petite
Lisette
Centifolie,
1817 - Vibert, Frankreich
Den
Freiherren Sämtliche Riedesel gehörte früher Lauterbach. Sie
zählen heute noch zu den größten Waldbesitzern Hessens, haben in
und bei Lauterbach drei Schlösser, eins davon ist inzwischen das
Hohaus-Museum der Stadt Lauterbach und sie bewirtschaften
umfangreiche Ländereien. Vermutlich haben sie gegen Ende des 19.
Jahrhunderts eine Reihe von Historischen Rosen nach Lauterbach
gebracht. Zu einigen komme ich später noch.
Fundrose
Grab Stausebach, Friedhof Lauterbach
Pink
Leda
Damascener,
unbekannter Züchter, vor 1828 - vermutlich Frankreich
Duft:
4, starker Damascenerduft, schweres, gutes Parfum
Die
Stausebachs kamen offenbar aus dem Dorf Stausebach, bei Homberg/Ohm
nach Lauterbach. Der Name findet sich nur viermal im Telefonbuch.
Fundrose
freies Grab I, ehem. Krömmelbein, Friedhof Lauterbach
Vermutlich
handelt es sich um
Alba
'Incarnata'
und
ist identisch mit der Fundrose Harnack, rosa.
Krömmelbein
ist ein in Lauterbach geläufiger Name. Auf der gleichen Grabstelle
steht noch eine zweite Rose, wie diese eingezwängt zwischen
Begrenzungssteinen und der Mauer, zwischen wucherndem Efeu und
anderem Gestrüpp.
Fundrose
freies Grab II, ehem. Krömmelbein, Friedhof Lauterbach
In
Sangerhausen bestimmte ich sie als
Dometil
Beccard
Gallica,
vor 1883 - Cochet (?), Frankreich
Duft:
2, fruchtig, süß
Wenn
man bei HelpMeFind nachschaut, findet man sie zusammen mit vielen
anderen gestreiften Rosen, teils auch Centifolien in einen Topf
geworfen. Hier ist noch einige Forschungsarbeit in frühen Quellen
erforderlich, um ihnen den richtigen Namen zurückzugeben.
Fundrose
Außenmauer I, Friedhof Lauterbach
Alba
'Maxima', mit Engelsblut
Alba,
vor 1500 - Europa
In
der Gruppe der 'Maxima' unterscheidet man zwischen den reinweißen
und den im Erblühen zartrosa überhauchten, die "Engelsblut"
enthalten.
Fundrose
Außenmauer II, Friedhof Lauterbach
Alba
'Suaveolens'
Alba,
vor 1600 - Europa
Diese
halbgefüllte Alba unterscheidet sich deutlich von der Fundrose
Harnack, weiß. Die Duftbeschreibungen werden im Juni nachgereicht.
Eigentlich
war meine erste Fundrose "Frau Schnell", genannt nach einer
Nachbarin, in deren Garten sie namenlos wucherte und die mir zwei
Ausläufer schenkte.
In
Sangerhausen half mir Frau Brumme, die inzwischen pensionierte
Leiterin des Rosariums, sie als 'Rose du Roi' zu identifizieren.
Zunächst hatte mich diese Rose enttäuscht, denn als ich an der
ersten Blüte roch, duftete sie überhaupt nicht. Erst als ich es
zufällig noch einmal versuchte, hatte sie einen herrlichen Duft.
Seitdem weiß ich, wie sehr es auf die richtige Tageszeit und die
Temperatur ankommt. Eigentlich heißt diese Rose:
Comte
Lelieur
Portland,
1812 – Graf Lelieur, 1816 von Souchet eingeführt, Frankreich
Duft:
2-3, fruchtig, Zitrone
Graf
Lelieur, verantwortlich für die königlichen Gärten Frankreichs,
züchtete diese Rose 1812 als 'Comte
Lelieur'. Auf Befehl von König Louis XVIII, dem sie besonders
gut gefiel, wurde sie 1815 in 'Rose
du Roi' umbenannt. Der gültige Name wäre somit 'Comte
Lelieur' (oder 'Rose Lelieur'), aber wir wollen uns dem königlichen
Befehl doch nicht widersetzen und als 'Rose du Roi' ist sie auch
wesentlich bekannter.
Hier
in Lauterbach wurde sie sicherlich von den Riedesel eingeführt, denn
in Rudlos, auf dem Weg nach Stockhausen, wächst diese Rose in einer
verwilderten Ecke des Gartens eines Hauses, das zu ihrem dortigen
Gutsbetrieb gehört. Auch
Frau Schnell, als pensionierte Gymnasiallehrerin, könnte diese Rose
für ihre schulischen Verdienste bekommen haben.
Eine
weitere Rose fand ich im Innenhof des Riedesel Schlosses Eisenbach,
außerhalb von Lauterbach.
Fundrose
Schloss Eisenbach
Remontant-Hybride,
mehr ist noch nicht bekannt
Duft:
4, vorzügliches, süßes Parfum, etwas Zitrone
Sie
sträubte sich erst gegen die Vermehrung, der erste Steckling gelang
nicht und Frau Schade reklamierte, dass ich ihr ein Wildreis zur
Veredlung gegeben hatte. In dem Gestrüpp hatte ich wohl etwas
verwechselt. Aber 2011 blühte sie sehr schön in ihrem
Container-Revier und auch mein zweiter Steckling zeigte seine erste
Blüte.
Eine
weitere Rose fand ich im Garten einer befreundeten Dame in
Lauterbach. Ihr Gärtner hatte ihr gesagt, es sei die Centifolie.
Eine Centifolie ist es, aber ich habe sie in Sangerhausen noch nicht
entdecken können.
Fundrose
'Inge Baader'
Centifolie
Duft:
4
Die
Rose wird wohl den Namen der Besitzerin, die inzwischen leider
verstorben ist, behalten. Unter diesem Namen ist sie mitlerweile auch
im Handel erhältlich.
Im
gleichen Rosenbusch, völlig ineinander verwachsen, als sei es eine
Rose mit unterschiedlichen Rosatönen, fand ich noch eine zweite
Rose, eine Damascener.
Sie
wächst auch im Garten der Villa Dürbeck, die einem ehemaligen
Lauterbacher Fabrikanten gehörte, bei dem ich früher einige Jahre
beschäftigt war. Die Rose hat die Firma und die Eigentümer überlebt
und wird jetzt auch in meinem Garten gepflegt.
Es
handelt sich vermutlich um
Celsiana
oder Belle Couronnée
Damascena,
Anfang 18. Jahrhundert, Holland
Jacques-Martin
Cels (1743-1806) brachte diese Rose nach Frankreich und nannte sie
'Belle Couronnée', dies ist
deshalb der zutreffende Name. Cels war einer der bedeutendsten
Züchter des ausgehenden 18. Jahrhunderts, dem wir viele Rosen
verdanken. Ihm zu Ehren nannte Thory, der Autor von Redoutés
Rosenmonografie, diese Damaszenerrose 'Celsiana'.
Unter diesem Namen ist sie heute hauptsächlich bekannt.
An
dieser prächtigen Rosenhecke in Eudorf, nördlich von Alsfeld, fuhr
ich vorbei, kehrte aber sofort um und holte meine Kamera. Im Herbst
wollte mir der Eigentümer erst dann einen der zahlreichen Ausläufer
geben, als ich ihm eine Rose zum Tausch anbot.
Fundrose
Eudorf, Centifolie
Es
ist sicherlich ein Klon von
Rosa
centifolia 'Major'
Centifolie,
16. Jahrhundert, Holland
Im
selben Garten steht auch noch eine Alba 'Maxima', diese ohne
"Engelsblut".
Fundrose
Eudorf, Alba
Alba
'Maxima'
Alba,
vor 1500 - Europa
An
dieser Alba der Familie Zinn im Lauterbacher Ortsteil Maar bin ich
schon oft vorbeigefahren, bis ich sie vor zwei Jahren in voller Blüte
sah.
Fundrose
Zinn, Lauterbach-Maar
Alba
Frau
Schade, die Alba-Spezialistin war erstaunt. Eine so kräftig Rosa
erblühende, in Reinweiß
übergehende
Alba 'Maxima', die dazu noch besonders stark duftet, hatte sie noch
nicht in ihrer Sammlung. Die genaue Einordnung muss daher noch
erfolgen.
Inzwischen wachsen noch einige weitere Fundrosen in meinem Garten, die ich von Rosenfreunden erhalten habe.
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