Sonntag, 6. Juli 2014

Das Veredeln von Rosen


Gestern fand bei Otto Müller in Homberg/Ohm Nieder-Ofleiden ein Veredlungskursus statt. 

Herr Müller hat einen wunderschönen Rosen-Clematis-Garten hinter einem alten Bauernhaus. 
 

 
Er besitzt zwar hauptsächlich Moderne Rosen, aber ich habe bei ihm auch schon einige Historische Schätze gefunden. So die Fundrose "Apotheke Rauischholzhausen" und die Fundrose "Rosenthal" und inzwischen wurden 2 weitere Raritäten entdeckt, Mlle Cécile Brunner, Cl. und Seven Sisters. Meine Reserveplätze schmelzen dahin.....

Die Veredelungsschulung wurde von Herrn Stroh von der Rosen-Union durchgeführt. Ich hatte das zwar schon probiert, aber noch nie einem Fachmann über die Schulter geschaut.

Das Okulieren von Rosen, eine Form der vegetativen Vermehrung, ist die kostengünstigste Methode. Aus einem Reis von 20 cm Länge erhält man als Steckling 1 Rose (mit 50 - 70% Erfolg) und beim Okulieren, je nach Augenzahl, 5 - 10 Rosen, mit einer Erfolgsquote von über 95%. Ein guter Veredler schafft mit entsprechenden Zuarbeitern 2.000 bis 3.000 Veredlungen am Tag, ein berühmter Spezialist aus Neuseeland 5.000 Stück. D.h. zwei Monate in gebückter Haltung reichen für seinen Lebensunterhalt für das ganze Jahr und dazu sieht er dann noch die halbe Welt!

Die Unterlagen, zumeist selektierte Arten von Rosa canina, werden im Vorjahr von Spezialfirmen gesät und im März/Anfang April an die Rosengärtnereien verkauft und dort in langen Reihen relativ hoch gepflanzt - die Wurzelhälse über der Erde - und dann angehäufelt. Mitte Juli sind sie dann reif fürs Veredeln. Die angehäufelte Erde wird weggeblasen, ein Helfer geht voraus und säubert die Wurzelhälse mit einem Tuch. Ein Mitarbeiter sitzt am Feldrand unterm Sonnenschirm und bereitet die Reiser vor, die von den letztjährigen Veredlungen, die im Herbst verkauft werden, geschnitten wurden. Er schneidet die Blätter ab, der Blattgrund bleibt zum Schutz des Auges stehen und er entfernt alle Stacheln, sodass der Veredler zügig arbeiten kann. Die Reiser sind ausgereift, wenn die erste Blüte verwelkt ist.

Für den Kursus waren die Wildlinge getopft, sodass jeder seine Veredelung anschließend gleich mitnehmen konnte.


Der Wurzelhals ist geputzt, mit dem 65 € Okuliermesser - ein gutes, sehr scharfes Küchenmesser tut es aber auch - wird das Auge ausgeschnitten: Direkt unter dem Auge ansetzen und sehr flach nach oben schneiden, mit einem langen Schwanz zum Anfassen. Die Unterseite des Auges nicht berühren, es wächst dann meist nicht an, da wir an den Fingern reichlich Keime haben.


Dann den T-Schnitt setzen. Die Rinde erst waagrecht einschneiden - zärtlich, nicht ins Holz schneiden, dann senkrecht. Mit dem Messer die Rindenlappen anheben und das Auge einschieben. 


Noch mal ein Bild vom senkrechten Schnitt, das Auge am verlängerten oberen Ende bereits in der anderen Hand.


Das Auge ist eingeschoben, mit dem Messer noch etwas nach unten gedrückt. Im waagrechten Schnitt wird jetzt das obere Rindenende des Auges abgeschnitten, die beiden Rindenlappen von Hand etwas angedrückt.


 Und jetzt wird die Wunde noch mit einem Silikonpflaster (OSV) stramm verbunden.


Der Drahtbügel wird dann einfach durch das stark gedehnte Silikon gestochen, fertig. Wenn ihr das einmal selber macht, übrig gebliebene OSV dunkel in einer Blechdose lagern, denn sie sind nicht UV-Licht-stabil und dann reißen sie im nächsten Jahr - so ging es mir einmal....


Anschließend war mein Auto sehr voll und jetzt stehen einige Container in meinem Garten rum. In ca 6 Wochen sieht man, ob die Veredelung gelungen ist, die Pflaster fallen dann nach und nach ab und man sieht ein pralles grünes Auge oder zwei schwarze Rindenlappen, dann ging es daneben!

Die meisten Container gehen dann auf Reise oder werden an den vorgesehenen Platz gepflanzt. Und zwar mit einem kleinen erdfreien Trichter um die Veredlungsstelle, der im Winter mit Schutzmaterial gefüllt wird. Denn die Veredlung muss ja später 3-5 cm unter der Erde liegen. Im Frühjahr treibt das Auge dann aus, der Wildling wird ca 5 mm oberhalb abgeschnitten und der Edeltrieb, wenn er 15 - 20 cm lang ist pinziert, damit er sich verzweigt. Hat man im Topf überwintert - eingraben und das Auge schützen - kann man im Herbst austopfen und hat dann eine wurzelnackte Rose, wie man sie üblicherweise kauft - nur selbst gemacht!

Im Feld werden die Unterlagen mit einem Fuß zur Seite heruntergetreten, sodass man besser an den Wurzelhals drankommt.
Das alles könnt ihr bei Schultheis in einer PDF nochmals nachlesen, oder auch als Video ansehen. Aber es geht nichts über die direkte Anschauung, wie ich sie gestern erlebt habe. Bei der Gelegenheit bekam ich gleich noch eine Moosrose geschenkt. Sie steht seit langer Zeit am Haus von Herrn Stroh, der von Historischen Rosen keine Ahnung hat, denn das ist bei der Rosen-Union ein Fremdwort! Er hatte sie letztes Jahr veredelt und als Anschauungsmaterial mitgebracht und ich darf jetzt den Namen finden....
Übrigens, das Entfernen des Holzes unter dem Auge nach dem Schnitt ist Anschauungssache. Herr Stange sagt im Video, mit Holz wächst das Auge nicht an, Herr Stroh entfernte es nicht, er sagt, es stört beim Anwachsen nicht, das Auge lässt sich besser in den T-Schnitt einfügen, da das Teil mit Holz etwas steifer ist. 
 

1 Kommentar:

  1. Lieber Rudolf,
    das ist ja sehr interessant! Ich hatte das bei Schultheis noch gar nicht gesehen! Deine Beschreibung macht Mut zum Experiment und sicher ist es noch was anderes wenn man Live zuschauen kann!
    Danke für diesen wieder einmal informativen Beitrag!

    Herzlichst Alexandra

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